Mittwoch, 5. Juni 2013

Innerste Sphäre – Sarah Fine

Nicht ganz neu, aber doch irgendwie originell

(Rezension vom 11. März 2013)


4 von 5 Sternen

Das erste, mit dem ich das Buch während des Lesens verglichen habe, waren Silent Hill und Constantine. Das soll hier aber nichts Schlechtes sein. Eher im Gegenteil, es hat geholfen, mir meine eigene Vorstellung der Höllenstadt zu geben. Der Rest ist… nun ja, eine typische Liebesgeschichte im Urban-Fantasy-Universum.

INHALT

Lela Santos macht sich ungewollt auf den Weg in die Hölle, um ihre beste Freundin, die vor kurzem Selbstmord begangen hat, wieder rauszuholen. Denn dieser Ort, an dem ihre Freundin gefangen ist, ist Lela nicht unbekannt, stand sie doch selbst schon einmal vor dem Selbstmordtor. Auf ihre Rettungsaktion trifft sie auf Malachi, den Anführer der Wächter der Stadt. Und dem darf sie auf keinen Fall in die Finger geraten, denn er ist der Gefährlichste und Gnadenloseste, wenn es darum geht, die Stadt von nicht willkommenen Besuchern zu “säubern” und kurzen Prozess mit ihnen zu machen. Natürlich passiert aber genau das und sie sitzt erstmal in der Falle. Aber Malachi ist nicht, wie er scheint und erkennt, dass Lela anders ist als die Wesen, die er jagt. Deshalb will er sie auch nicht in der Stadt haben und setzt alles daran, sie rauszuschaffen.

Der Plot ist ausgeklügelt und nachvollziehbar und wer hat sich noch nicht gefragt, was nach dem Tod passiert? Dachten Selbstmörder bisher, sie seien erlöst, nachdem sie sich das Leben genommen haben, so merken sie spätestens am Tor, dass ihr Leiden kein Ende nehmen wird – ob nun gläubig oder nicht. Die Welt, die Sarah Fine geschaffen hat, ist heiß, düster und äußerst gefährlich, und nicht immer kann man den Unterschied zwischen Freund und Feind auf Anhieb erkennen. Gut und Böse halten sich geradeso die Waage, aber das Fass scheint langsam aber sicher überzukochen. Und außgerechnet Lela scheint zur falschen Zeit am falschen Ort gelandet zu sein und mit ihrem eigenen, winzigen Plan ihren Widersachern nur noch mehr in die Hände zu spielen.

CHARAKTERE

Was mich an diesem Buch vor allem fasziniert hat, sind die überzeugenden Charaktere, die durch ihre Hintergrundgeschichten glaubhaft und real wirken, ja irgendwie greifbar. Es wird auf geschichtliche Fakten und gegenwärtige Zustände zurückgegriffen, die vor allem Malachi und Lela echter den je wirken lassen. Ich will nicht zu viel verraten, aber wer das Buch gelesen hat, weiß denke ich mal, was ich meine. Vor allem gibt es hier kein unnützes Anhäufen von Leuten mit kaputten Problemen. Die Leute gibt es zwar schon, aber in dieser Stadt ist die große Anzahl ganz normal, denn die Leute hier haben sich ja nicht ohne Grund von heut auf morgen entschieden, sich das Leben zu nehmen. Malachi und Lela, beide vom Leben gestraft, brauchen einander, helfen einander und heilen einander.
Die Wächter, die Mazikin, der Heiler, der Schmied, der Richter… all diese Personen/Wesen überzeugen durch ihr simples Auftreten. Zwar haben sie nicht immer etwas zu sagen, aber allein die wenigen Szenen, in denen sie in Aktion treten, reichen aus, um sie als Teil der Stadt, aber keinesfalls als strohdumme Pappfiguren wirken zu lassen.

Einzig der Charakter von Nadia, Lelas bester Freundin, ist bei mir nicht so richtig angekommen. Ich weiß nicht, ob es Absicht war, dass sie mir wie eine Schablone vorkam. Was ich aber so gar nicht nachvollziehen konnte, war ihre Freundschaft zu Lela. Ich hab bis zum Schluss nicht verstanden, warum Lela so viel für Nadia durchmacht. Natürlich hätte es egoistisch geklungen, sich für sich zu entscheiden, als es letztendlich um eine Entscheidung ging, aber diese ganze Freundschaftssache hätte man am Anfang vielleicht noch ein bisschen ausbauen können, damit es doch irgendwie realer wirkt. Klar gab es am Ende eine Erklärung ihrerseits, aber auch die wirkte auf mich seltsam platt und abgedroschen – einem Klischee folgend, das man bereits am Anfang erkennen konnte.

STIL

Der Schreibstil ist eher einfach gehalten, ist sehr bildlich und gefühlvoll. Hin und wieder gibt es Exkurse in die heutige Teenager-Sprache und nicht nur einmal werden an den unpasssendsten Stellen unmögliche, aber witzige Vergleiche gezogen, wenn Lela in Situationen der Verzweiflung als letztes Mittel plötzlich frech und kühn wird.
Hin und wieder hat es mich gestört, dass Lela in ihren Gedanken und wenn es darum ging, Szenen zu beschreiben, einige Wordwiederholungen hatte. Auf ein 324-Seiten Buch fällt das dann schon etwas eher auf, wenn sie ständig einen heißen Atem auf ihrem Nacken spürt. Ich weiß zwar, was damit bezweckt werden sollte, dennoch hat es mich irgendwann ein bisschen genervt.
Die Dialoge sind von keinem Philosophen und das hat auch niemand erwartet. Sie entsprechen der Handlung und sind in den meisten Fällen wie aus dem alltäglichen Leben, wenngleich die Protagonisten irgendwann dazu neigen, eine ganze Rede zu halten, um sich zu erklären. Auch erschienen mir manchmal Lelas Entschuldigungen zu viel des Guten. Eine einfache Geste hätte an einigen Stellen besser gepasst.
Öfter als selten – und das ist jetzt aber nicht der Geschichte anzulasten – haben Wörter gefehlt. Vor allem, wenn in einem Satz “ich mich” oder “sie/er sich” vorkam. Meistens stand dann nur “sich/mich” etc dort. Einige mag das vielleicht nicht stören, mich schon, weil es einfach meinen Lesefluss unterbricht. Und wenn ich tief in einer Geschichte drin bin und dann durch so was wieder rausgerissen werde, ist das schade. Mich nervt so was. Ein, zwei Mal kann ich drüber hinweg sehen, aber hier ist es doch öfter passiert.

FAZIT

Trotz der paar wenigen Kritikpunkte ein lohnenswertes Buch, das mit seiner eigensinnigen Originalität und starken Charakteren, die mal nicht die 08/15-Vorstadt-Vorzeige-Unschuldigen sind, überzeugt. Wer sich die Inhaltsangabe durchliest, wird bestimmt neugierig auf das Buch. Das wurde ich auch, obwohl ich lange nichts gelesen habe. Einziger Wermutstropfen war für mich, als ich beim 2. Blick das “Band I” gelesen hab und ich mich wieder auf einen Mehrteiler einstellen musste. Das birgt bei mir immer die Angst, ein nur halbwegs zufriedenes Ende zu erwarten und senkt die Hoffnung drastisch auf ein zufriedenes. Ob ich mit diesem Ende zufrieden bin oder nicht, verrate ich nicht. Das soll jeder für sich selbst entscheiden ;) Tatsache ist jedenfalls, dass ich mich tierisch auf den 2. Teil freue, denn was ich vor allem an dem Buch so schön finde, ist dass hier der jeweils andere sein Gegenstück erst in der Höllenstadt finden konnte. Beide hätten sich im normalen Leben niemals getroffen, weil sie aus ganz verschiedenen Zeiten und Ländern kommen, und wenn sie nicht gestorben wären, hätten sie ihr ganzes Leben lang ohne diesen heilenden, anderen Teil auskommen müssen.

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